Verkehrsunfall in Paraguay – was tun?

Autoschaden nach Verkehrsunfall

Der Unfall

Der Straßenverkehr in Paraguay gehört zu den Top-3 der häufigsten Todesursachen im Land. Aber nicht jeder Unfall ist gleich tödlich, oder auch nur schwer. Die große Mehrheit der Unfälle sind “Blechschäden”, ohne daß dabei Menschen verletzt werden. Das war die gute Nachricht. Die andere Nachricht ist die, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis SIE, ja genau SIE! in einen solchen Unfall verwickelt werden. Es kann in der ersten Woche passieren, oder in ihrem 6. Jahr in Paraguay. Sie können Schuld haben, oder auch nicht. Bus fahren hilft auch nur sehr bedingt, da die lokalen Busse nicht alle in diesem Jahrtausend gebaut wurden und auch nicht unbedingt den TÜV schaffen würden. Der einzig sichere Weg, einen Verkehrsunfall zu vermeiden, ist, daheim zu bleiben.

Nachdem wir uns jetzt klar darüber sind, daß es uns irgendwann treffen wird, spielen wir die ganze Sache einmal im Geiste durch. Wir fahren also gemütlich im Stadtgebiet, als plötzlich ein Moto aus einer Parklücke heraus und auf die Straße fährt. Wir treten auf die Bremse und können dem Moto noch gerade-so ausweichen. Plötzlich macht es BUUUMS und ein anderer Wagen hat den hinteren Teil unseres Autos gerammt. Wir steigen aus, begutachten den Schaden und nehmen ersten Kontakt mit unserem Unfallgegner auf.

Der Vergleich

Unser Unfallgegner heißt “Pedro” und weder er, seine Frau noch sein Bekannter auf dem Rücksitz wurden verletzt. Auch wir haben nur Materialschäden zu beklagen; das Heck unseres Autos sieht jetzt anders aus. Dies ist eine gute Gelegenheit, über einen möglichen Vergleich nachzudenken. Ein Vergleich heißt in Paraguay “Acuerdo” und sollte immer schriftlich bei einem Notar (Escribania) gemacht werden. Machen Sie den Vergleich nur mit Handschlag und fahren dann weiter, könnte das böse enden! Nichts hindert Ihren Unfallgegner daran, trotzdem zur Polizei zu gehen, dort den Unfall anzuzeigen und Sie persönlich noch zusätzlich wegen Fahrerflucht.

Wenn Sie 3 Monate später eine Vorladung vor Gericht erhalten, dann müssen Sie erstens dort mit Ihrem Anwalt erscheinen und bekommen zweitens zu 99% die alleinige Schuld. Plus eine Strafe wegen Fahrerflucht. Die Kosten daraus können durchaus enorm sein! Deswegen einen Vergleich immer schriftlich und beim Notar machen. Als Ausländer sollten Sie zusätzlich einen Übersetzer rufen, bevor Sie ein Dokument unterschreiben, dessen Inhalt Sie nicht wirklich zu 100% verstanden haben.

Da in Paraguay fast kein Autofahrer über eine Versicherung verfügt, läuft der übliche Vergleich in die Richtung “Jeder zahlt seinen Schaden selber”.
Nicht selten wird Ihr Unfallgegner jedoch von Ihnen Geld verlangen für diesen Vergleich. Ganz egal, ob er nun Schuld hat oder nicht – Sie als Ausländer sollen zahlen. Das ist natürlich unfair und nicht gerecht! Wir sagen deshalb zu Pedro, daß wir nicht schuld sind, sondern er. Er ist uns aufgefahren und hätte besser bremsen müssen. Wieso sollen wir ihm da Gs. 1.000.000 (ca. Euro 150) geben! Er soll gefälligst unseren Schaden bezahlen!!

Die Polizei

Klar ist, wenn man sich nicht einigen kann oder will, dann muß die Polizei kommen. Bis zum Eintreffen der Polizei machen wir einige Fotos von unserem und seinem Auto, sowie dem Unfallort und allen beteiligten Personen. Als dann die Polizei kommt, verlangt sie von uns als erstes die Dokumente.

  • Cedula (Personalausweis) oder Reisepass
  • Habilitación (Zulassung)
  • Führerschein
  • Cedula Verde (Autodokument)

Habilitación und Führerschein sind hoffentlich nicht abgelaufen. Ist dies der Fall, haben wir bereits jetzt sehr schlechte Karten. Dieses trifft auch auf unseren Unfallgegner zu! Verlassen Sie sich NICHT darauf, daß die Polizei alles von sich aus genau prüft. Bei IHNEN macht Sie es ja vielleicht; aber auch beim Unfallgegner? Sie wissen nie, welcher Polizist mit ihm befreundet ist!

Das Unfallprotokoll

Mehr oder weniger schnell wird die Polizei nun einen Unfallbericht verfassen. In diesem Bericht sollte der Unfallhergang beschrieben sein. Es kann sein, Ihre Version und die Version von “Pedro” sind nicht genau gleich. Achten Sie darauf, daß nicht bloß Pedros Version im Bericht steht! Gibt es Zeugen, dann sollten diese unbedingt im Bericht genannt werden.

Üblicherweise wird auch ein Alko-Test von jedem Fahrer gemacht. Achten Sie genau darauf, daß hier alles ordentlich abläuft. Hat Ihr Unfallgegner nämlich mehr als 0.0 Promille, dann haben Sie einen großen Vorteil! Das weiß er auch. Und die Polizisten wissen es. Wird von der Polizei kein Alko-Test erwähnt, gehen Sie davon aus, die Beamten wollen Ihrem Unfallgegner damit helfen. Sie sollten auf einem Alko-Test bestehen!

Nun haben Sie wieder die Gelegenheit, sich mit Pedro auf einen Vergleich zu einigen. Da ihm inzwischen noch mehr Schäden an seinem Auto aufgefallen sind, will er mittlerweile jedoch sogar Gs. 1.500.000 von Ihnen. Sie sind darüber gar nicht froh und denken sich “Der Mann spinnt doch! Ich bin im Recht, was glaubt der Kerl überhaupt?”

Nun, irgendwann ist der Bericht fertig und wird Pedro und Ihnen zur Unterschrift vorgelegt. !!!Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht zu 110% verstanden haben!!! Gibt es auch nur eine kleine Unklarheit, dann holen Sie sich einen Übersetzer! Dies ist in Paraguay als Ausländer Ihr RECHT! Entspricht das Unfallprotokoll nicht unbedingt Ihrer Sicht des Unfalls, dann haben Sie das Recht, die Unterschrift zu verweigern!

Die Anzeige

Unterschreiben Sie den Unfallbericht nicht, dann müssen Sie mit auf die Polizeiwache “Comisaria” und dort eine Unfallanzeige machen. Dies wird auch Ihr Unfallgegner tun. Nicht selten ist jetzt der Moment, wo Sie beginnen, das Verhalten von Pedro zu verstehen. Ohne mit der Wimper zu zucken, erzählt er in seiner Anzeige, Sie hätten ihn erst überholt und dann ohne Grund hart gebremst, um in eine Parklücke zu kommen. Das bestätigen neben seiner Frau und dem Freund im Wagen noch 2 weitere Paraguayer, die zufällig in der Nähe waren. Sie können sich nicht erinnern, diese am Unfallort gesehen zu haben, aber ihre Namen scheinen auch im Protokoll der Polizei auf. Damit ist es amtlich.

Sie haben ihn erst überholt und dann wie ein Irrer gebremst, um eine Parklücke zu erreichen. Damit ist rechtlich eindeutig klar, Sie haben 100% Schuld am Unfall und keiner sonst. Gut, das ist seine Version. Sie haben jetzt die Gelegenheit, auch Ihre Version zur Anzeige zu bringen.

Die Zivilklage

In einigen Wochen sieht man sich dann im Rahmen einer Zivilklage vielleicht vor Gericht. Sie müssen dort mit Ihrem Anwalt erscheinen und die Sachlage wird verhandelt. Der Stundensatz eines Anwalts in Paraguay beginnt bei Gs. 485.000 pro angefangener Stunde. Kann sein, der Prozeß zieht sich hin und Sie müssen öfter als einmal vor Gericht erscheinen. Selbst wenn Sie gewinnen sollten, die Anwaltskosten werden Ihnen NICHT vom Verlierer ersetzt. Diese tragen Sie (anders als in Europa) immer selber.

Auf einen Sachverständigen oder ein Gutachten werden Sie vergeblich warten.

  • Keiner macht Fotos, außer Sie machen welche.
  • Keiner mißt eine mögliche Bremsspur.
  • Keiner wird groß ermitteln.
  • Es läuft auf Aussage gegen Aussage,
  • sowie die politischen Verbindungen Ihres Anwalts hinaus.

Paraguay ist ein Paradies für Anwälte – nicht umsonst kommen auf nicht einmal 3000 Ingenieure über 30.000 Anwälte im Land.

Je mehr Sie darüber nachdenken, desto mehr erinnern Sie sich an die freundschaftliche Begrüßung zwischen der Polizei und Pedro. Die kurzen Gespräche auf Guarani und die Grinser in Ihre Richtung. Schön langsam dämmert Ihnen die Wahrheit. Die Polizei war von Anfang an auf der Seite von Pedro und hat alles getan, damit nur seine Version im Unfallbericht steht. Gut, Sie haben diesen wenigstens nicht unterschrieben. Aber bei Gericht vorgelegt wird er trotzdem werden.

Dies ist wieder so ein Moment, wo Sie sich vielleicht mit Pedro einigen wollen. Die geforderte Summe (mittlerweise Gs. 2.000.000) zahlen und einen Vergleich machen, oder doch lieber auf die Entscheidung des Richters warten. Waren Sie weise genug, in Ihrem Auto eine Dashcam zu installieren, dann erspart Ihnen dies möglicherweise großen Ärger. Stimmen die Aufnahmen nämlich mit Ihrer Version des Unfallhergangs überein, dann haben Sie gute Karten!

Versicherung

Haben Sie eine gute Versicherung, dann brauchen Sie auf jeden Fall das Unfallprotokoll bzw. die Unfallanzeige für die Meldung. Die Versicherung wird Ihnen dann eine Vertragswerkstätte zuweisen, wo Sie Ihr Auto reparieren lassen können. Lassen Sie das Auto bei Ihrem eigenen Mechaniker richten, wird die Versicherung vermutlich nicht zahlen! Die meisten KFZ-Versicherungen haben eine 24-Stunden Hotline, wo Sie nach dem Unfall anrufen können. Das sollten Sie auch unbedingt nutzen!

4 Gedanken zu „Verkehrsunfall in Paraguay – was tun?

  1. Super…. dasgleiche ist mir in D passiert … der Unfallgegner, der von links kommend uns die Vorfahrt genommen hat, schleppt einen gekauften Aserbaidschaner an, der noch vor dem Gerichtssaal herumerzählt, er wäre bei dem unfall gar nicht dabei gewesen, mache seinem Freund lediglich eine Gefälligkeits-Zeugenaussage, dass der gestanden sei und wir ihm reingefahren wären. Eine glatte Lüge von einem gekauften bestochenen Zeugen. Das geht auch vor Deutschen Gerichten durch … auch hier das gleiche abgekartete Grinsen, nur nicht zwischen der Polizei und Pedro sondern zwischen dem Richter und dem gegnerischen Anwalt … Wozu also auswandern, wenn man hier in D genauso bequem von Richtern verarscht wird…. falls dieser Kommentar doppelt versendet werden sollte, bitte einmal löschen.

    1. Der Unterschied liegt im Preis. Ein Unfall wie beschrieben ist im Bereich von max. Gs. 10.000.000 Schaden. Das entspricht etwa Euro 1.500 für die Reparatur beider KFZ und den ganzen Rest.
      Arbeitszeit ist hier billig (auch vom Mechaniker) und die Autos haben meist weit mehr als 10 Jahre auf dem Buckel. Mit Gs 4 Millionen für den Unfallgegner sollte man also in 80% der Fälle “durchkommen”.
      Teurer wird es bei Personenschäden, aber selbst bei einem Todesfall kostet es meist nur im Bereich von Gs. 30.000.000. (Euro 5.000,-).

      Interessant ist, daß hier die Paraguayer gegen die Ausländer (das sind wir) in der Regel zusammenhalten – etwas das wir Deutschen irgendwie weder in Europa noch im Ausland zu schaffen scheinen.

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